Zwei Herzen

Zwei Herzen wohnen ach in meiner Brust. Das eine sehnt sich nach Geborgenheit, einer Heimat, Sicherheit und, ja, Luxus. Endlich ankommen, wo auch immer. Ein schnuckeliges Häuschen mit Kamin, ein großer Garten mit Baumhaus. Ein Häuschen, das uns gehört. Nur uns. Und endlich keine Studentenbudeneinrichtung mehr. Und nein, wir sind natürlich nicht spießig dabei.

Das andere Herz verlangt nach Freiheit, was sonst. Abenteuer, Neues entdecken. Kein Ballast an der Backe haben. Heute hier, in einem halben Jahr dort. Durch China reisen, Indien entdecken, in Kambodscha abhängen, Vietnam ersegeln und immer wieder in Singapur essen. Das wärs! Irgendetwas zieht stark an meinem Herzen und das heißt Südostasien.

Noch hat keines der Herzen seine Erfüllung gefunden. Das Dilemma ist: bekommt eines der Herzen seinen Traum erfüllt, leidet das andere. Und so dümpel ich bislang in der undefinierbaren Mitte vor mich. So kann das nicht weitergehen.

Manchmal versuche ich mir vorzustellen, wie das wohl ist, ein Dorfmensch in Oberbayern zu sein, eine Heimat zu haben. Anschauungsobjekte laufen jeden Tag vor meinem Fenster vorbei. Im Hof der Eltern, Großeltern und wahrscheinlich schon Urgroßeltern aufwachsen. Immer, immer, immer am gleichen Ort wohnen. Jeden noch so unbedeutenden Stein kennen. Nach der Lehre vielleicht „rebellieren“ und in das Haus unten an der Straßenecke ziehen. Zaghafte Abnabelung und ein vages Gefühl von Freiheit. Dann mit dem Partner ins Dachgeschoß des elterlichen Hofes ziehen. So billig kommen wir sonst nicht an eine so große Wohnung. Wird Sicherheit mit Langeweile erkauft? Oder ist mir das Gefühl der Verwurzelung einfach wesensfremd? Die ganz wagemutigen, die „Alternativen“, die Revoluzza, die ziehen für ein paar Jahre nach Berlin. Dann kommen sie wieder, ist ja so schön hier bei uns, aber hey, wir sind cool, das zumindest. (Die aus dem Ruhrgebiet ziehen nicht zurück, ist ja auch nicht so schön dort.) Ist das Treiben und Sehnen in mir nicht auch eine Form der Suche nach Heimat? Nach Sicherheit, nicht-hinterfragen-müssen, einfach-da-sein? Ist Heimat nur ein Gefühl?

Einen Vorteil hat es allerdings heimatlos zu sein. Ich werde niemals 77 Menschen erschießen und dann auf unschuldig plädieren, weil ich meine Heimat vor Überfremdung schützen will und aus Notwehr handeln musste.

Gestern. Sonne in den Bergen. Gewitter über mir. Das Drama meines Lebens. Ähem

Hier ist selbst der Himmel schön. Vorgestern in Landsberg am Lech. Ja, ich muss manchmal raus aus dem Dorf.

Home sweet home. Allerdings nicht unseres.